Das Debattieren ist ein Sport mit einem festen Regelwerk. Das unterscheidet das Debattieren von den typischen Diskussionen am Küchentisch, bei denen meistens das lauteste und nicht das beste Argument gewinnt. Im Debattiersport messen sich Redner*innen anhand ihrer Argumente und wie sie diese Argumente vortragen. Die Reden werden im Anschluss von einer neutralen Jury bewertet. Daher bekommen Redner*innen im Debattierclub - ebenfalls anders als bei der Küchentisch-Diskussion - nach jeder Debatte ein Verbesserungsfeedback und können so mit jeder Debatte ihre Rhetorik verbessern.
Herzkammer des Debattierens sind die Debattierclubs. Meist sind diese Clubs so wie wir als Vereine organisiert. In den Clubs finden regelmäßige Debatten statt und sie repräsentieren den Debattiersport vor Ort. Debattierclubs gibt es in ganz Deutschland. Außerdem sind die Clubs der Debattierszene miteinander vernetzt und haben einen gemeinsamen Dachverband, den Verband der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH). Daher gibt es auch überregionale Debattierturniere, die von Debattierclubs organisiert werden und an denen Redner*innen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum teilnehmen. Die größte Turnierserie waren bis zur Saison 2017/18 die ZEIT DEBATTEN, seit der Saison 2018/19 die Campus-Debatten. Den Höhepunkt der Serie bildet die Deutschsprachige Debattiermeisterschaft, bei der bis zu 200 Debattant*innen zum sportlichen Wettstreit der Argumente für vier Tage zusammenkommen.
Debattiert wird ein Thema, das politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich oder philosophisch sein kann. Das Spektrum an möglichen Themenfeldern ist also sehr breit und bietet daher Raum für unterschiedlichste Vorlieben. Von Debatten über NATO-Auslandseinsätze bis hin zu der Frage, ob Arbeit einen zu hohen Stellenwert in der Gesellschaft hat, kann alles dabei sein. Deshalb ist es hilfreich, wenn die Redner*innen vielfältige Hintergründe mitbringen: Das Thema wird erst vor Ort bekannt gegeben und muss ohne elektronische Hilfsmittel vorbereitet werden. Daher sind die meisten Themen mit einer guten Allgemeinbildung zugänglich und setzen kein spezifisches Fachwissen voraus.
Wie läuft die Debatte ab?
Streiten wie im Parlament: Grundstruktur der Debatte
Die sportliche Debatte ahmt in ihrer Grundstruktur die Parlamentsdebatte nach. Das heißt: Es gibt eine Regierung und eine Opposition, die abwechselnd ihre Redner*innen in einer festgelegten Reihenfolge ans Pult schicken. Diese Positionen werden zugelost, sodass die Redner*innen nicht ihre persönliche Meinung vertreten. Nach der Themenverkündung haben die Teams 15 MinutenVorbereitungszeit. Die Redner*innen der Teams haben je 7 Minuten Redezeit.
Die Regierung vertritt die Pro-Seite und bringt in der Regel einen Antrag ein, mit dem sie ein bestimmtes Problem lösen möchte. Die Regierung muss daher in ihren Reden zeigen, dass das Problem tatsächlich besteht und wie es durch den Antrag gelöst wird.
Die Opposition steht für die Contra-Seite und ist gegen das Vorhaben der Regierung. Sie muss daher erklären, wieso das Problem im status quo gar nicht besteht, wieso der Antrag der Regierung das Problem nicht lösen kann oder wieso der Antrag sogar neue Probleme mit sich bringt.
Dieser grundlegende Dualismus aus Regierung und Opposition, die sich im Widerspruch gegenüber stehen, spiegelt sich in beiden Formaten wider, die bei uns im Club und auch deutschlandweit debattiert werden.
Das rhetorische Format: Offene Parlamentarische Debatte
Die Offene Parlamentarische Debatte (OPD) wurde in Tübingen entwickelt und ist jedes zweite Jahr das Format der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaften. Im OPD Format stehen sich eine Regierung und eine Opposition aus jeweils 3 Redner*innen gegenüber. Ergänzt wird diese Konstellation durch drei Fraktionsfreie Redner*innen, die keinem Team angehören und sich im Laufe der Debatte eine Position aussuchen müssen. Die Fraktionsfreien Redner*innen haben eine verkürzte Redezeit von 3,5 Minuten. Ihre Aufgabe ist es, neue Argumente, Perspektiven und Betroffenengruppen in die Debatte einzuführen - also die blinden Flecke der Teams zu erkennen und abzudecken. Sie simulieren das Publikum, das von den beiden Teams überzeugt werden muss.
Die Jurierung erfolgt im OPD-Format nach fünf Kategorien: Sprachkraft, Auftreten, Kontaktfähigkeit, Sachverstand und Urteilskraft. Man spricht auch von linken (rhetorischen) und rechten (inhaltlichen) Kategorien nach ihrer Positionierung auf dem Jurierbogen. In jeder Kategorie werden von der Jury 0 bis 20 Punkte vergeben. Eine Rede kann also mit bis zu 100 Punkten bewertet werden. Die Punkte der Einzelreden und der Teampunkte für eine gemeinsame Strategie oder gute Zwischenfragen werden summiert und so ermittelt, welches Team gewonnen hat.
Rhetorik im Sinne guter Gestik, souveränen Auftretens und schöner Sprache wird hier also ausdrücklich bewertet und trainiert.
Das analytische Format: British Parliamentary Style
Der British Parliamentary Style (BPS) ist das international verbreitetste Format und orientiert sich an den Debatten im britischen Parlament. Hier gibt es keine Fraktionsfreien Redner*innen. Stattdessen teilen sich die beiden Seiten, Regierung und Opposition, zusätzlich in je zwei Teams: Je ein eröffnendes und ein schließendes Team auf beiden Seiten. Diese Teams bestehen aus zwei Redner*innen. Diese Konstellation ähnelt einer Koalition: Beide Regierungsteams stehen für den gleichen Antrag, aber aus unterschiedlichen Gründen. Beide Oppostionsteams sind gegen den Antrag der Regierung, aber aus unterschiedlichen Gründen.
Die eröffnenden Teams führen wie in OPD in die Debatte ein, tragen zentrale Definitionen vor, stellen einen Antrag (Regierung) oder widersprechen dem Antrag (Opposition) und erläutern Argumente für ihre Seite.
Die schließenden Teams dürfen dem eröffnenden Team auf der eigenen Seite nicht widersprechen, müssen sich aber durch neue Argumente oder bessere Erklärungen abgrenzen. Diese Aufgabe wird als Extension bezeichnet - die schließenden Teams erweitern die Debatte und tragen so zu ihrer analytischen Tiefe bei.
Die Bewertung erfolgt, anders als in OPD, ausschließlich unter inhaltlichen Gesichtspunkten: Welche Punkte waren am besten erklärt? Welche Betroffenengruppen waren am relevantesten? Welche Argumente konnten nicht widerlegt werden? Pathetische Sprachbilder oder theatralische Gestik werden nicht bewertet. Schließlich erstellt die Jury ein Ranking mit einem ersten, zweiten, dritten und vierten Platz.
Wozu Debattieren?
Es gibt viele Gründe und Motivationen zu debattieren und alle Redner*innen haben vermutlich ihre individuelle Mischung aus Gründen. Als Debattierclub Hannover möchten wir...
Gute Gedanken allein genügen nicht. Man muss sie auch erklären können und andere Menschen davon überzeugen können, dass die Gedanken gut sind. Deshalb ist es in allen Lebensabschnitten hilfreich, überzeugend, selbstbewusst und strukturiert reden zu können. Egal ob bei Referaten in der Schule, bei der Verteidigung der Master-Arbeit, im Ehrenamt oder im Berufsleben - immer dort wo Kommunikation ist, wird auch Rhetorik benötigt. Bei uns wird genau diese hohe Kunst der Rede trainiert - jede Woche und in einem geschützten Umfeld, in dem man sich ohne Risiko ausprobieren kann. Das wichtigste: Nach jeder Debatte gibt ein detailliertes und individuelles Verbesserungsfeedback der Jury, das in der nächsten Debatte direkt umgesetzt werden kann. Dadurch findet ein kontinuierlicher Lernprozess statt. Regelmäßiges Debattieren trainiert Kompetenzen, die im ganzen Leben eingesetzt werden.
Die Themenvielfalt des Debattierens ist groß, die Vorbereitungszeit ist kurz: Im Rahmen einer Debatte muss man sehr schnell ein unbekanntes Thema analysieren. Außerdem kann man sich die eigene Positionierung nicht aussuchen - man wird also gegebenenfalls gegen die tatsächliche eigene Überzeugung reden müssen. Perspektiven, die man zuvor gar nicht kannte oder die man sehr leichtfertig abgelehnt hätte, müssen hier ernsthaft betrachtet werden. Debattieren trainiert die Fähigkeit, sich schnell und präzise in unbekannte Inhalte einzuarbeiten.
Das Debattieren hat starke individuelle Vorteile. Es verfolgt aber auch einen gesellschaftlichen Auftrag: Die demokratische Streitkultur in unserer Gesellschaft zu stärken. Debatten sollten nicht nur unter der Kuppel des Bundestags ausgetragen werden, sondern einen Platz im Herz der Zivilgesellschaft haben. Im Alltag erleben wir es oft, dass Diskussionen mit Dominanz und Autorität gewonnen werden und nicht mit Argumenten. In den Echokammern des Internets isolieren und trennen wir uns zunehmend nach politischen und gesellschaftlichen Meinungen, ohne uns auf die Ansichten anderer Gruppen einzulassen. Daraus folgt eine Radikalisierung der Überzeugung und der Sprache und eine Spaltung der Gesellschaft.
Das Debattieren hält gegen diesen Trend die Kraft der Argumente hoch. Es vermittelt die Fähigkeit, zwischen guten und schlechten Argumenten, zwischen Fassade und Inhalt zu unterscheiden. Es vermittelt den Grundgedanken, dass jeder Austausch von Argumenten auf einem fairen Umgang mit der Gegenseite beruht. Vor allem besteht eine sportliche Debatte nicht nur aus der eigenen Redezeit, sondern auch aus den Beiträgen der anderen Redner*innen. Um eine Debatte gewinnen zu können, müssen Argumente und Positionen der Gegenseite ernstgenommen werden. Das Debattieren trainiert nicht nur das Reden, sondern auch das Zuhören und stärkt so den demokratischen Meinungsaustausch.
Wie hört sich eine Debatte an?
Als Beispiel für eine spannende, hochwertige Debatte kannst du dir hier das Finale der Deutschsprachigen Debattiermeisterschaft 2017 in Dresden ansehen.
Wann und wo?
Debatten auf deutsch:
immer Montags ab 19:00 Uhr neben dem Conti-Hochhaus Königsworther Platz 1, Raum 112
Debatten auf englisch:
Donnerstags ab 19:00 Uhr in geraden Kalenderwochen, gleicher Ort
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